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Albert Göken - Interview
Albert Göken wurde am 20.Juli 1964 in Friesoythe, nahe Oldenburg, geboren. Von Kindheitsbeinen verfolgte er das Treiben des kaufmännischen Daseins. Seine Eltern hatten ein Geschäft, das von Besteck bis Farbfernsehen, vom Motorrad zum Drahtzaun, vom Porzellan zur Waschmaschine alle Kundenwünsche abdeckte, sprich ein Eisenwarengeschäft.
Haben Sie in der Jugend auch im Betrieb mithelfen dürfen? Richtig. In jungen Jahren durfte ich im Betrieb soweit es ging mithelfen. Mein Vater war stolz, wenn meine Zwillingsschwester und ich in maßangefertigten Kitteln durch Lager, Laden und Werkstatt huschte. Am liebsten haben wir uns in der Fahrradwerkstatt meines Großvaters aufgehalten. Dort konnte ich an Fahrrädern, die damals noch in Einzelteilen vom Lieferanten geliefert wurden, zusammenschrauben. ...Abenteuerspielplatz Eisenwarengeschäft?... Meine Jüngste spielt auf meinen Instrumenten ähnlich, wie ich damals mit dem Schraubenzieher am Fahrradersatzteil. Ich erinnere mich gerne daran zurück!
Wie kamst du vom Fahrrad zur Musik? Wie hat alles angefangen? Wir wohnten in einem kleinen Ort, Friesoythe, und glücklicherweise stand das Heimathaus auch direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Friesoyther Kirche. Von den Klängen des zur damaligen Zeit überregional bekannten Friesoyther Chores und seiner Solisten angezogen, besuchte ich des öfteren Konzertveranstaltungen der Gemeinde.
Welche musikalischen Erinnerungen verbinden Sie mit diesen Erlebnissen? In diesem Zusammenhang fallen mir die Stücke Messias von G. Händel und die h-moll Messe von J.S. Bach wieder ein. Wobei diese sich bei mir einzig aus dem Grund ins Gedächtnis geprägt haben, da sich die Zeit des Sitzens deutlich am Hintern bemerkbar machte. Heute sehe ich das selbstverständlich anders, aber damals fiel es mir schwer so lange still zu sitzen.
Waren sicherlich ihre Eltern, die Ihnen das Stillsitzen während der Veranstaltungen beibrachten? Nein, eigentlich nicht. Meine Eltern waren keine Konzertgänger im typischen Sinne. Ich ging regelmäßig, aber alleine, zu Konzertveranstaltungen. Der Anreiz, wenn es einen Solchen von meiner elterlichen Seite hierzu gegeben hat, dann kam er von meinem Vater. Er hat des öfteren zur Unterhaltung einige Klavierstücke zum Besten gegeben. Eine Profession daraus zu machen oder mich dafür zu begeistern lag ihm jedoch fern. Hätte sicherlich seinerseits auch nicht dazu gereicht.
Somit sind Sie in Eigenregie in die Konzerte gegangen und haben das Interesse für die Musik weiter ausgebaut...
...richtig. Meine Eltern waren mit dem geschäftlichen Bereich so beschäftigt, dass Sie sich für derlei Sachen weniger interessierten. Sie als „cultural unemployed” zu bezeichnen, käme Ihnen nicht gerecht. Sie konnten sich auch an der Musik erfreuen, waren aber nie so zu begeistern, wie ich es bis heute bin. Musik ist mein Leben, für meine Eltern war es das Geschäft.
Wenn Ihre Eltern so sehr für das Eisenwarengeschäft arbeiteten, hatte Sie da nicht den Wunsch Sie, als einzigen Sohn, später als Geschäftsinhaber einzusetzen? Sicherlich richtig, dass das Lebenswerk meines Vaters der kommenden Generation, also in meine Obhut, übergehen sollte. Sie haben mich aber nie dazu gezwungen. Er wusste sicher, dass das bei mir erst recht nichts gebracht hätte. Deshalb hat er alle meine musikalischen Unternehmungen, wie Chorgesang, Orgelspiel, Klavierunterricht und vieles andere auch während meines Studiums finanziell unterstützt. Es wurden mir somit keine Klötze zwischen die Beine geschmissen, eher im Gegenteil und dafür bin bis heute sehr dankbar.
Wie hat Ihre musikalische Ausbildung angefangen? Mit sechs Jahren habe ich angefangen Klavier zu spielen. Dem Chor zuzuhören genügte mir anfangs, hinterher aber nicht mehr. Ich wollte mitsingen und so tat ich es dann auch. Einige Zeit später nahm ich Stunden beim Küster der Gemeinde und fing das Orgelspiel an. Mit zwölf hatte ich mich dann bereits entschieden, dass Musik mein Leben bestimmen sollte. Darauf hinarbeitend bekam ich meinen ersten kleinen Job, als Vertretung für den Küster. So bin ich in die Musik regelrecht hineingewachsen. Die Möglichkeiten wie sie StarsUp! bietet gab es damals gar nicht. Meine Grundkenntnisse entstammen aus der Musikschule und dem privaten Klavierunterricht…was war mit ihren schulischem Engagement…Dazu fällt mir die kleine Anekdote ein, die ich leider nicht nur einmal miterleben durfte. Meine Eltern drohten öfters damit, dass sie das Klavier zersägen würden, wenn ich meine schulischen Leistungen nicht verbessern würde. In meiner Schulzeit drückte ich nämlich häufig lieber die Orgelbank als die Schulbank.
In deiner Vita! steht der Vermerk, dass du bereits in jungen Jahren Konzerte organisiert hast. Wie kam es dazu?Mein Traum war es immer schon eine Aufführung von A bis Z selber zu organisieren. Das habe ich mir mit dem Konzert in der Dorfkirche Charrel zum ersten Mal realisiert. Keine leichte Aufgabe, über die sich aus heutiger Sicht streiten lässt, ob sie unbedingt sein musste.
Welche kulturellen Möglichkeiten bot sich in Friesoythe und Umgebung? Da mein Vater ein Fabel für die neueste Technik hatte, profitierte ich von den neuesten Errungenschaften auf dem Markt gleich mit. So verbrachte ich ganze Abende und Nächte damit Beethovens Symphonien aus dem Radio mit Tonbandträgern aufzuzeichnen. Bei heutigen Möglichkeiten nicht mehr vorstellbar, aber das war halt jene Zeit. Später mit meiner „alten Gurke“ (Auto) habe ich mitsamt ein paar Freunden des öfteren den Weg nach Oldenburg, Hamburg oder Bremen eingeschlagen.
Waren die Friesoyther kulturell so anspruchsvoll? Das Niveau einer Kleinstadt, nicht mehr und nicht weniger! Die Prioritäten der Landbevölkerung bekam ich einmal am eigenen Leib zu spüren. Einen absoluten Flop hatte ich, da ich dummerweise zu einem Länderspieltermin ein Orgelkonzert angesetzt hatte. Somit fand noch ein weiteres Spiel statt. Länderspiel gegen Albert. Ich verlor haushoch, denn keiner verließ den Platz vor den Fernsehgeräten, um mich zu hören.
Was haben die Friesoyther sonst von deinen Auftritten gehalten? Die Veranstaltungen waren mit heutigen Verhältnissen nicht zu vergleichen, aber Sie hatten ihr Publikum. Alteingesessene Musiklehrer oder sonstige Veranstalter sahen mich jedoch eher als Konkurrenz, was mich aber nicht von meinen Vorhaben abbrachte.
Aus dieser Zeit stammt womöglich auch ihr Engagement sich für Kinder und Jugendliche stark zu machen. Zumindest versuchen Sie Kinder und Jugendliche in Schulen oder Projekten zu fördern. Zu sehen an ihrem neusten Projekt: StarsUp! Ja, vielleicht haben Sie recht, dass die Wurzel für jene Projekte in jener Zeit liegt. Ich würde es als einen Traum von mir bezeichnen. Eine Vernetzung von all meinen Unternehmungen, ob Chorleitung, Schulleitung, Privatunterricht, usw., läge mir am Herzen.
Mit zwanzig Jahren haben Sie angefangen die Musikwissenschaften zu studieren. Wo und was haben Sie studiert und was hat sich durch ihr Studium verändert? Das Studium an der Universität von Berlin hat mich natürlich begeistert. Aber nicht, wie Sie denken. Die Möglichkeiten von Friesoythe und Oldenburg waren doch allmählich erschöpft und Berlin hat ein kulturelles Niveau, was mich bis heute regelmäßig fasziniert. Mein Studium selber hat zwölf Semester gedauert, wobei ich sagen kann, dass ich den Abschluss in Kirchenmusik nicht gebraucht hätte, da ich derzeit bereits eine hervorragende Anstellung gefunden hatte. Somit war der Abschluss eigentlich obsolet. Verschiede Meisterkurse folgten der universitären Ausbildung.
Wie kam es zur Chorleitung und was sind derzeit Ihre Ziele? Angefangen hat alles damit, dass ich als Nebenjob mehrere Chöre leitete, was letztlich dazu führte, dass man die Chöre irgendwann in Eigenverantwortung übernahm und organisierte. Spass machte mir damals wie heute die Zusammenarbeit mit Menschen in der Gruppe. Es geht mir darum, dass ein Forum geschaffen wird, in dem sich das Wohlfühlen unter den Mitgliedern breit macht. Gemeinschaftsgefühl führt zu Freundschaft und Freundschaft bietet halt und Kraft. Das macht dann letztlich auch einen starken Chor aus. Mein Ziel und Anspruch an einen Chor liegt nicht in dem Auftritt, ähnlich eines Karajan, sondern vielmehr darin Gemeinschaftsempfinden zu schaffen. >Ich präsentiere keine Musik, sondern arbeite mit ihr!<
Was mögen Sie an der Chorarbeit besonders? Chorleiter zu sein heißt für mich eine persönliche Bindung zu allen beteiligten Sängern aufzubauen. Das ist ein zweischneidiges Schwert. Zum einen sorge ich durch meine Art für ein entsprechendes Wohlbefinden bei den SängerInnen, aber zugleich ist es auch eine Schwäche von mir, denn das bedeutet für mich einfach nur unternehmerisch gesehen unattraktiver Mehraufwand, den ich aber ehrlich gesagt nicht missen möchte.
Sie haben ein bewegtes Leben, wie lebt ihre Familie damit? [Unser Blick schweift herüber zu der kleinen 13monatigen strahlenden Cecilia] Sicherlich nimmt mich das Tagesgeschäft ganz schön in Anspruch, aber anderen Familienvätern geht es doch ähnlich. Bislang habe ich noch keine Klagen gehört. Meine beiden Kinder sind von Geburt an mit der Musik gross geworden und verstehen es beide bereits jetzt schon mit dem Klavier zu spielen. Natürlich ist die 11jährige Tochter ein bisschen weniger abstrakt in der Interpretation, als unsere Kleine, aber das ist doch verständlich. Beide keine weibliche Variante von Beethoven und dazu werde ich sie auch nicht zwingen. Sie sollen frei entscheiden dürfen, was sie wollen. Warum sollte es Ihnen anders ergehen, als mir?
Haben Sie ein Fernziel auf das Sie mit den Chören hinarbeiten? Nicht nur mit den Chören, sondern allgemein arbeite ich an dem Ziel alle Bereiche, die ich in den vergangenen Jahren aufgebaut habe miteinander zu vernetzen. Wenn die Fähigkeiten der Chöre soweit heranreifen, dass alle ihre Noten selber interpretieren können, wäre das eine Erfüllung eines Traumes. Bei besserer Ausbildung hat das eine bessere Wirkung nach Außen, weil es schöner klingt und somit kommen wieder neue Leute auf den Geschmack zu Veranstaltungen oder zu Chorproben zu kommen. Das Interesse hängt letztendlich von der Gesangsausbildung ab, die in den meisten Chören noch zu wenig betrieben wird. Ich habe nicht nur das Ziel den nächsten Auftritt bravourös zu überstehen, sondern vielmehr die gesangliche Ausbildung zu fördern. Mit gut ausgebildeten Stimmen, das ist das A und O, kann man auch jedes erdenkliche Musikstück mit Leichtigkeit, also schneller, einstudieren. Aber dieser Weg ist einfach mühsam und nicht von heute auf morgen zu erreichen. Und das nicht nur für mich!
[29.01.2003]